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Georg Stanitzek (Universität Siegen)

 
Zur Semantik der Freundschaft im 18. Jahrhundert: Begriffe und Praktiken

Die Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts folgt bis heute dem Narrativ vom aufsteigenden Bürgertum: als einer Emanzipationsgeschichte von Individuen, die sich jenseits ständischen Strukturen als Gleiche zu begegnen beginnen. In diesem Zusammenhang gilt die symmetrische Beziehung unter Freunden als Ideal. Die sozialgeschichtliche Forschung hat jedoch gezeigt, dass literarische Öffentlichkeiten aus gelehrten, höfischen und urbanen Kommunikationsstrukturen heraus entstehen. Die fortgesetzte Bedeutung ständischer Privilegien und supplementärer Patronageverhältnisse im 18. Jahrhundert lassen vermuten, dass die historische Semantik der Freundschaft ihnen nicht unbedingt entgegenzusetzen ist. Seit ihren aristotelischen Anfängen hat diese vielmehr auf asymmetrische Sozialbeziehungen reflektiert; und sie wird darin von der pragmatischen Literatur der frühen Moderne beerbt. — „There is little friendship in the world, and least of all between equals“, ist die realistische Einschätzung Francis Bacons (Essays, 48: „Of Followers and Friends / De Clientibus, Famulis et Amicis“). Ein von Denis Diderot und Claude Yvon im Artikel „Amitié“ der Encyclopédie angeführtes altes Sprichwort lautet: „amicitia aut pares invenit, aut facit / Freundschaft setzt Gleichheit voraus oder stellt sie her“. Es dürfte besagen, dass unter der Voraussetzung von Ungleichheit das Vorzeichen der Freundschaft Prozesse des Aushandelns, der zumindest situativen respektive passageren Verfertigung von Gleichheit anleitet. — Der Vortrag informiert über die Suche nach Zeugnissen einer gegenüber den Standardbegriffen des traditionellen Philosophieunterrichts zwar weniger „gepflegten“, für Alltagspraktiken aber operativ geeigneten Semantik.

 

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