Alteritäten der ästhetischen Moderne
Die Diskurse der Moderne definieren Gesellschaften und deren Kommunikations- und Repräsentationssysteme maßgeblich im Rahmen der epistemischen Inskriptionen, wie sie durch die industriellen „Wirklichkeits“-Apparaturen seit dem 19. Jahrhundert als globale Standardisierungen hegemonial Welt repräsentieren. Diese Bezüge manifestieren sich vor allem im binären Wechselverhältnis etwa von Wahrheit und Lüge, Hegemonie und Widerstand, Subjekt und Objekt, Signifikat und Signifikant, Wirklichkeit und Wahrnehmung, Materie und Geist, Identität und Differenz. Auch die postkolonialen Diskurse, die Dekonstruktion und die neueren Netzwerktheorien haben es letzten Endes nicht vermocht, sich von einem jegliche Weltkonstitution beherrschenden und sich auch im Denken des Dritten (wie in der Informations- und Systemtheorie oder der Medienarchäologie) eher bestätigenden Binärmodell loszusagen. Sie haben das Sein in eine Opposition zum Geist respektive Text gestellt und dadurch eher bestätigt denn überwunden. Die Cologne Media Lectures werden sich im Wintersemester 2015/16 der Frage nach den Alteritäten der die ästhetische Moderne beherrschenden „Passion des Realen“ (A. Badiou) widmen. Anstelle einer Fokussierung auf Sein, Logos und Repräsentation wird das Werden, wie es in Europa durch Autoren wie Bergson, Whitehead, Deleuze und andere zwar prozesshaft in die Diskurse eingeführt worden, dabei aber nie über eine widerständige Rolle hinausgekommen ist, in das Zentrum der Überlegungen der CML gestellt. Dabei wird der Versuch unternommen, ein binär angeordnetes Medienverständnis des Vermittlers oder auch des Dazwischens (G. Tholen) aus der Perspektive eines anderen Ortes parallaktisch neu zu beobachten. Es geht darum, die Bedingungen der ästhetischen Moderne in eine Beziehung zu solchen Diskursen zu stellen, wie sie in heterogenen Räumen der industriellen Welt sowie in alteritären Kulturen den Logos und das Sein mit seinen materiellen Implikationen anders oder gar nicht gedacht haben, und den Medienbegriff darauf hin zu befragen.
Federführung des Semesterprogramms: Prof. Dr. Stefan Kramer, Chinastudien
Manfred Weinberg (Karls-Universität Prag)
Prager Zwischenräume und/bei Franz Kafka